Die Turbine, die aus dem Drucker kam
GE setzt mit Übernahmen wie der des fränkischen Spezialisten Concept Laser auf das Milliardengeschäft mit industriellen 3D-Druckern - und will in Deutschland kräftig investieren. Der Siemens-Rivale hat Großes vor. Frank Herzog verstand es als eine Warnung. Zahlreiche Tech-Pioniere wurden von der Entwicklung, die sie einst selbst angestoßen hatten, überrollt. Der Markt, den sie mit ihrer Erfindung erst geschaffen hatten, explodierte irgendwann förmlich. Und die Vorreiter waren mit ihren Start-up-Strukturen schlicht überfordert, große Nachzügler teilten den Markt unter sich auf. Auch der im Jahr 2000 von Herzog im fränkischen Lichtenfels gegründeten Concept Laser GmbH, obwohl eine der am schnellsten wachsenden und sehr profitablen jungen Firmen in Deutschland, drohte dieses Schicksal. Das Geschäft mit industriellen 3D-Druckern entwickle sich gerade zum Multimilliarden-Markt, erklärt der Unternehmenschef. Da sei auch Concept Laser zum Wachstum verdammt. Also suchte sich Herzog im vergangenen Jahr einen starken Partner, um 'weiterhin Treiber des Marktes zu bleiben und das Wachstum zu gestalten'.
48 Interessenten meldeten sich. Den Zuschlag bekam am Ende der US-Konzern General Electric (GE). Und der hat gemeinsam mit Concept Laser Großes vor: Die Aktivitäten mit industriellen 3D-Druckern wurden in einer neuen Sparte namens GE Additive gebündelt und sollen ein milliardenschweres Geschäft werden. Der weltweite Sitz der Sparte könnte nach Informationen des Handelsblatts aus Industriekreisen in Deutschland angesiedelt werden. Zudem heißt es, GE wolle in der Heimat von Concept Laser in Lichtenfels 100 Millionen Euro in einen 3D-Campus investieren. Wegen des starken Wachstums ist die Zentrale von Concept Laser derzeit stark fragmentiert, Forschung und Entwicklung sind sogar in Containern untergebracht. Auf 25.000 Quadratmetern soll nun eine moderne Zentrale für bis zu 700 Beschäftigte entstehen. Baubeginn ist im Herbst.
Hintergrund der Offensive der Amerikaner: Die sogenannte additive Fertigung erlebt gerade den Durchbruch in der Massenfertigung in vielen Branchen. '3D-Druck ist die Zukunft der industriellen Produktion', ist nicht nur Mohammad Ehteshami überzeugt. Der Manager leitet die neu geformte Sparte von General Electric. Additive Fertigung sei 'eine Revolution', sagte der Manager dem Handelsblatt. 'Und wir führen diese Revolution an.' Concept-Laser-Gründer Herzog war einer der Ersten, die das geahnt haben. Während seines Studiums jobbte er im Unternehmen des Onkels seiner Frau - und entwarf die erste Metall-Laser-Schmelzanlage, die noch manuell betrieben wurde. Heute ist Concept Laser bei Metall-3D-Druckern gemeinsam mit der ebenfalls deutschen Eos GmbH Weltmarktführer. Der Umsatz der Firma wuchs im vergangenen Jahr um 35 Prozent auf 91 Millionen Euro. Das Wachstumstempo soll unter GE mindestens beibehalten, eher beschleunigt werden. Schließlich kann der Mittelständler nun zum Beispiel auf die Vertriebsund Entwicklungskapazitäten des Großkonzerns zurückgreifen.
Da General Electric auch den schwedischen 3D-Druck-Spezialisten Arcam übernahm, der beim Aufschmelzen auf Elektronenstrahl- statt wie Concept auf Lasertechnik setzt, ist GE nun der neue Weltmarktführer. Ehteshami will noch nicht bestätigen, dass der Sitz der neuen Einheit nach Deutschland kommt, die offizielle Entscheidung stehe noch aus. Doch sagt er zugleich: 'Deutschland ist ein großartiger Standort.' Hier gebe es das technologische Know-how, wichtige industrielle Branchen und viele Mittelständler als Zielgruppe.
Bei der additiven Fertigung entstehen Bauteile Schicht für Schicht, ohne dass Formen benötigt werden. Mit den 3D-Anlagen lassen sich so Teile in beliebiger Form herstellen, die bisher gefräst oder gegossen wurden - oder gar nicht hergestellt werden konnten. Heute werden Turbinenteile ebenso gedruckt wie Zahnersatz und Schmuck. Kurz vor Eröffnung der Hannover Messe etwa kündigte MAN Turbo & Diesel an, erstmals Komponenten für Gasturbinen in der Serienfertigung zu drucken.
Vom Prototyp zur Massenproduktion
Wurden anfänglich wegen der hohen Kosten und technologischen Herausforderungen vor allem Prototypen mit 3D-Druck hergestellt, hält die Technologie zunehmend auch in die Massenproduktion Einzug. 'Wir sehen eine steigende Nachfrage nach modernen Industriebaukomponenten, die leichter sind, über bestimmte Funktionen verfügen und von der größeren Gestaltungsfreiheit der additiven Fertigung profitieren können', drückte es Roland Fische, Chef des Schweizer Anlagenbauers Oerlikon, aus. Vorreiterbranchen sind die Luftfahrtindustrie und die Energieerzeugung. Inzwischen gibt es auch einen Juwelier in der Münchener Maximilianstraße, der mit Concept-Laser-Druckern Schmuck herstellt. Auch in der Medizin- und Dentaltechnik ist die Serienfertigung von Teilen bereits Standard. General Electric war wegen seiner starken Position in der Turbinenproduktion für Flugzeuge einer der Pioniere. So baute GE mit der LEAP Engine das erste Triebwerk, das 3D-gedruckte Teile als Kraftstoffdüsen einsetzt. Die Amerikaner wollen die Technologie etwa bei der nächsten Cessna-Baureihe nutzen. Um die Position weiter auszubauen, nahm GE viel Geld in die Hand. Allein für Concept Laser legte der Siemens-Rivale für zunächst 75 Prozent der Anteile 549 Millionen Euro auf den Tisch. Noch dauert die additive Fertigung relativ lange. Mit Concept-Laser-Maschinen können Gegenstände von einer Größe bis zu 80 mal 40 mal 50 Zentimeter gedruckt werden. Das dauert dann aber mehrere Tage. Auch deshalb ist es noch längst nicht sinnvoll, alles zu drucken. Concept Laser hat zwar im Foyer einen gedruckten Motorblock stehen, um zu zeigen, was machbar ist. So ein Teil mit einfacher Struktur kann aber auch in nächster Zeit noch besser gegossen werden. 'Ich habe den Traum, dass man eines Tages zuschauen kann, wie ein Teil gedruckt wird', sagt Gründer Herzog. Der leidenschaftliche Unternehmer und Maschinenbauer ist überzeugt, dass die Vision Wirklichkeit wird. Für die neue Additive-Sparte hat sich GE-Manager Ehteshami ehrgeizige Ziele gesetzt. 'Wir sind in einer einmaligen Position.'
Bis 2020 strebt er eine Milliarde Dollar Umsatz an, etwa fünfmal so viel wie im vergangenen Jahr. Im Jahr 2026 will er 10.000 3D-Drucker verkaufen, zwei Drittel davon könnten laut Branchenschätzungen von Concept Laser stammen. Ziel von GE ist es zudem, mit Hilfe der Technologie die Kosten in der eigenen Produktion um fünf Milliarden Dollar zu senken. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig. Gerade bei der Versorgung mit Ersatzteilen kann es enorme Lager-und Transportkosten sparen, wenn der Servicetechniker das Teil vor Ort druckt. Bei Siemens zum Beispiel musste früher der gesamte Brennerkopf ausgetauscht werden, wenn die Brennerspitze einer Gasturbine verschlissen war. Dieser muss extrem aufwendig aus etlichen Einzelteilen hergestellt werden. Seit wenigen Jahren kann Siemens die Spitze des Brennerkopfs abtrennen und eine neue, exakt passende mit Hilfe des Laserstrahlschmelzens aus Metall direkt auf den Brenner aufdrucken. Das spart 90 Prozent Zeit und 30 Prozent Kosten.
Auch Siemens nutzt 3D-Druck
Im Februar konnte Siemens einen weiteren Durchbruch verkünden: Erstmals konnten vollständig mit Additive Manufacturing (AM) gefertigte Gasturbinenschaufeln unter Volllast in einer Gasturbine erfolgreich getestet werden. Die Bauteile wurden dabei 13.000 Umdrehungen in der Minute und Temperaturen von mehr als 1250 Grad Celsius ausgesetzt. Siemens setzt das Verfahren in der Produktion ein - stellt aber keine eigenen Drucker her. Ähnlich ist es auch beim Thema Roboter, bei dem sich der Schweizer Konkurrent ABB engagiert. General Electric dagegen hat massiv investiert. Attraktiv ist der weltweite Markt zweifelsohne. Laut den Experten von Wohlers Associates wuchs er im Jahr 2015 um 26 Prozent auf 5,2 Milliarden Dollar. Laut Prognosen der Berater von Canalys dürfte der Markt für 3D-Drucker - einschließlich der Geräte für Privatnutzer, Zubehör und Services - bis 2019 auf mehr als 20 Milliarden Dollar zulegen. Manche Experten können sich vorstellen, dass der Markt für industrielle 3D-Drucker auch auf 80 oder 90 Milliarden Dollar ansteigen könnte.
Allerdings ist der Bereich auch hart umkämpft. Die Zahl der Hersteller von industriellen 3D-Druckern hat sich seit dem Jahr 2011 auf 62 verdoppelt. Diese Zahl dürfte sich in den nächsten Jahren wieder spürbar verringern, wenn sich der Markt bereinigt. 'Es wird eine weitere Konsolidierung geben', ist Ehteshami sicher. Dabei denkt auch GE über weitere Übernahmen nach. 'Wir sehen uns nach weiteren Gelegenheiten um', erklärte er.
Dabei wird Deutschland eine Schlüsselrolle spielen. GE will nicht nur 100 Millionen Euro in den 3D-Campus am Concept-Laser-Standort Lichtenfels investieren. Zudem verlagert der US-Konzern nach Angaben aus Industriekreisen auch den Sitz des Geschäftsbereichs Inspection Technologies nach Deutschland. Dieser bündelt Technologien zur Werkstoffprüfung in der Produktion, zum Beispiel mit Hilfe von Röntgenstrahlung oder Wirbelstromtechnologie. Die Palette reicht von mobilen Geräten bis zu großen Maschinen, die eingebunden in die Produktion laufend die Qualität von Produkten überprüfen. Dies spielt gerade beim 3D-Druck mit seinen komplexen Strukturen und neuen Materialzusammensetzungen eine wichtige Rolle, so dass es viele Verknüpfungen gibt.
Mit Hilfe der Digitalisierung können die neuen Geräte nicht nur vermelden, ob ein Produkt in Ordnung ist oder aussortiert werden muss. Sie geben auch Informationen über die Art des Fehlers und mögliche Ursachen. 'Wir sind einer der weltweit führenden Anbieter und sehen sehr gute Möglichkeiten für weiteres Wachstum', sagte GE-Spartenchef Holger Laubenthal dem Handelsblatt. Die Umsätze könnten laut Branchenschätzungen jährlich im höheren einstelligen oder niedrigen zweistelligen Bereich wachsen. Sitz der neuen Hauptverwaltung wird Hürth, wo GE einst das Traditionsunternehmen Krautkramer übernommen hatte.
Aufhalten lässt sich der 3D-Druck nicht mehr, davon ist GE-Manager Ehteshami überzeugt. Was würde er gerne irgendwann mal drucken können? Eine komplette Flugzeugturbine, antwortet er. Und das werde gar nicht mehr so lange dauern.
Höpner, Axel
Lichtenfels
Quelle: Handelsbaltt online vom 21.04.2017
Siemens-Rivale GE investiert in 3D-Druck: Die Turbine, die aus dem Drucker kam (handelsblatt.com)
Bildquelle: REMY GABALDA/AFP/Getty Images.